Kabul Klavier
Die Fotografien von zerstörten Instrumenten in den Räumen des afghanischen Rundfunks, die nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021 bekannt wurden, sind Anlass für eine Auseinandersetzung mit der Frage, wie wir solche Konfliktbilder betrachten.
Im September 2021 wurden die zerstörten Instrumente, darunter zwei Konzertflügel, von einem britischen Journalisten fotografiert und auf Twitter geteilt. Die Taliban hatten aber nie die Verantwortung für den Zerstörungsakt übernommen.
Die Art und Weise, in der die Instrumente unkommentiert, aber unübersehbar für eine weltweite Öffentlichkeit drapiert waren, versetzt uns gezwungenermaßen in einen voyeristischen Modus, in dem wir - wie Susan Sonntag es ausdrückt - „das Leiden anderer Betrachten“. Das Bild der zerstörten Klaviere ist nach ikonografischen Gesetzen konstruiert und gehorcht den Regeln einer Ästhetik des Leidens, welche unserer Kategorien des Ethischen und Ästhetischen provoziert. Es beunruhigt einige unserer ideologischen Gewissheiten im Afghanistankonflikt. Das Klavier in Kabul soll aufrütteln, verschrecken oder zum Handeln motivieren und erfüllt in seiner Ambiguität einige der Erwartungen, die wir gemeinhin an Kunstwerke richten.
In der Auseinandersetzung mit den Bildern der zerstörten Klaviere stelle ich mir die Frage, ob das ikonoklastische Arrangement im Kabuler Rundfunkstudio in Wirklichkeit tatsächlich ein Kunstwerk ist - ein subversiv geplantes autodestruktives Bild, dass in seiner ganzen ikonografischen Komplexität wahrgenommen werden sollte und das von seinen anonymen Autoren darauf angelegt war, genau zu diesem Zweck geteilt und verbreitet zu werden.
Die Fotografien von zerstörten Instrumenten in den Räumen des afghanischen Rundfunks, die nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021 bekannt wurden, sind Anlass…
